Tennis Borussia 09.04.2002

100 Jahre jung!

Geschafft: TeBe ist hundert Jahre - aber jung wie lange nicht mehr. Auf dem Rasen wie auf den Rängen wollen die Jungen zeigen, wo es in den nächsten 100 Jahren langgehen soll: nach oben. So feierte der lilaweiße Anhang am vergangenen Freitag im wiedereröffneten Loft voll wilder Schönheit das Jubiläum. Die "E-Blox" - drei junge Männer aus dem Fanblock - heizten mit drei TeBe-Punkrock-Krachern dem bunten Völkchen ein; das antwortete mit lautem Gesang: "God save TeBe!"

Tags darauf ging die Feier weiter - beim Oberligaspiel in Rathenow. Da haben ein paar der sonst eher bierseligen TeBe-Fans im Regionalzug schon mal mit Sekt angestoßen, um dann von ihrer Elf im Stadion Vogelgesang ein prima Spiel vorgeführt zu bekommen. Hätten die Youngster gewusst, dass mit Benny Wendt einer der großen Helden aus fernen Bundesligazeiten anwesend ist, sie hätten das Spiel wahrscheinlich nicht nur mit 3:1 gewonnen. Nein, dieser Mannschaft sind Motivationsprobleme fremd. Ganz im Gegensatz zu der Elf von 2000, in der die meisten Spieler ihre volle Konzentration auf das Geldverdienen richteten. Die Göttinger Gruppe hat schließlich üppig gezahlt. Diese Göttinger hätten sich aber vorher mal über Fußball schlau machen sollen, denn letztlich haben sie dem Verein mit ihrem Treiben in Sachen Image bundesweit ein übles Veilchen verpasst und obendrein den hundertsten Geburtstag des Traditionsclubs auf das Spiel gesetzt. Fußballbusiness as usual. Wäre die finanzielle Situation heute nicht so prekär, könnte man bei TeBe über diese Spieler, über diesen blonden Trainer und diesen ehemaligen Sponsor nur lachen.

Als am 9. April 1902 eine Gruppe aus 12 Sportlern, fast alles Studenten, den Club als Berliner Tennis- und Ping-Pong-Gesellschaft Borussia gründeten, war an derlei Probleme nicht zu denken. Zunächst einmal musste eine Mannschaft zusammengestellt, der Fußballsport salonfähig und erste Meisterschaften gewonnen werden. So erlebte TeBe in den 20er bis Anfang der 30er und den 50er Jahren seine besten Zeiten, lieferte sich große Duelle mit Hertha BSC und zog die Massen an. Vor 50 Jahren war TeBe die Nummer 1 in Berlin und 75.000 strömten zu internationalen Freundschaftsspielen wie gegen Tottenham oder Casablanca ins Olympiastadion. Die Bundesliga kam aber zu spät, TeBe wurde zweitklassig, was das Berliner Publikum größtenteils mit Abwesenheit im Stadion quittierte. Genau dieses Bild ist dem Club immer haften geblieben. Auf der anderen Seite wurde TeBe nur durch sein Dasein als Underdog der "etwas andere Club", der er heute gerade für die junge Generation ist.

Langweilig war es bei TeBe eigentlich nur in den 80er Jahren, als der Verein mit Ausnahme der Saison 1985/86 in der West-Berliner Oberliga rumdümpelte. Bittere Jahre. Spannender waren da schon die zahlreichen Berliner Meistertitel und Berliner Pokalsiege, die Gruppenspiele um die Deutsche Meisterschaft, die Deutsche Amateurmeisterschaft 1998 und die Relegationen, in denen aber meistens der letzte Kick fehlte. Nur nicht im Jahr 1974, als die Veilchen völlig überraschend in die Bundesliga aufgestiegen sind. In der zweiten Bundesligasaison 1976/77 sorgte vor allem Trainer Rudi Gutendorf mit medienwirksamen Einlagen sowie Benny Wendt mit vielen Toren für etwas Licht, konnten den Abstieg in die Zweitklassigkeit aber nicht verhindern. Das letzte Jahrzehnt sollte es in sich haben. Kurz nach dem Fall der Mauer wollte Jack White TeBe wieder groß machen - die Bundesliga war das Ziel - und sorgte mit viel Geld für eine exzellente Mannschaft. Fortan war TeBe aber auch der "Nobelclub", was keine Sympathien einbrachte.

Besonders im Jahr 1993 kochten die Emotionen hoch, als dem Club von zahlreichen Fans des 1.FC Union blanker Hass entgegenschlugen. Der Anlass mutet bizarr an: Union wurde die Lizenz für die Zweite Bundesliga wegen einer gefälschten Bankbürgschaft verweigert und TeBe als Zweiter der Aufstiegsrunde durfte in die 2.Liga nachrücken. Die Zweitligasaison verlief kläglich. TeBe verliert immer wieder 0:1 und aus den Stadionlautsprechern tönt "Is everybody happy, yeah yeah" von David Hasselhoff - eine Jack White-Produktion. Heute grinsen die einst leidtragenden TeBe-Fans nur noch darüber. Auch in den folgenden Jahren ging es immer um den Aufstieg in den bezahlten Fußball, verbunden mit einigen Turbulenzen hinter den Kulissen als auch Dramatik in Relegationen: Jack White trat überraschend als Präsident zurück, und die Göttinger Gruppe pumpte Geld in den konkursgefährdeten Club. So viel, dass 1998 auch endlich der Aufstieg in die 2.Liga glückte. Die Vereinsführung, längst okkupiert von der Göttinger Gruppe, sprach alsbald größenwahnsinnig von Champions-League, das Resultat ist bekannt. Nach dem Zwangsabstieg durch die Lizenzverweigerung im Jahr 2000 und einer in allen Belangen desolaten Regionalliga-Saison 2000/2001, in der sich die Göttinger Gruppe zurückgezogen und einen Schuldenberg hinterlassen hat, ist dem Verein durch das Engagement vieler alter Borussen ein erstaunlich guter Neuanfang in der vierten Liga mit einer jungen, beherzten Mannschaft geglückt. Und zwar unter einem Motto, das man bei TeBe lange nicht mehr erlebt hat: Bescheidenheit.Das ist auch ganz nach dem Geschmack der kleinen, aber aktiven Fanszene, die sich bemerkenswerter Weise erst in den letzten Jahren entwickelt hat, in denen öffentlichen Schelte, Missstimmung im Verein und der freie Fall in die 4.Liga die lila-weiße Welt überschatteten. Dass dies so kommen konnte, liegt an der Tatsache, dass TeBe immer ein weltoffener Verein war und auch heute ist. Das drückt sich schon in den Freundschaftsspielen gegen den Club Francais im Jahr 1924 aus, als TeBe als erste deutsche Mannschaft zum "Erzfeind" nach Frankreich reiste, und wird abgerundet durch die einstimmige Aufnahme eines Antirassismusparagraphen in die Vereinssatzung als erster und bisher einziger Berliner Verein im letzten Jahr.

Es ist zu wünschen, dass die derzeitige kleine Renaissance bei TeBe mit Erfolg gekrönt wird und eine frische Borussia die Stadt Berlin eines Tages wieder in oberen Gefilden vertritt.

Jack Tennessee

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